Montag, 17. Juni 2013

hörst du

Trage Gold aus meinen Kellern,
sind mir Unbekannte, so alt sei ich,
so nicht zu gebrauchen

Mache einen Abstecher zwischen deine Rippen,
wo das tonnen-
schwere, glänzende Uhrwerk um dein Leben schlägt
alles kurz und klein,

hörst du

für die Selbsterkenntnis ist es
von Vorteil müde zu sein
dann schert der Geist sich nicht allzu sehr
um Worte der Güte

Sag doch, dass du weh tust
wenn dir der Atem krampft
als seist du noch hier, als seist du noch
im Außen, wohin kein Ton dringt aus
meinen Kellern

dahin,
nicht ein einziger
Fluch

Innen ist sicher,
wenigstens hört
sonst alles auf, wenn es da still wird,

verstummte Schätze,
Du

Sonntag, 21. April 2013

Schlachten


Es gibt Worte und Nähe. Du hältst meine Hand, sagst:
„Das  sind die Schlachten um Liebe."

Aber Freund, wenn es nur lieben gibt, worum kämpft das Heer?










Ich habe dich losgeworfen,
doch ich werfe nie fort den Raum,
in dem du in mir wohnst.

Dienstag, 16. April 2013

Ich muss dich nicht tragen

I.

Ich bin die Tochter des Wahns, ich liebe nicht. Ich zähle deine Schwächen, ich sage, ich liebe so untragbar schwer und morgens beim Aufwachen weiß ich, ich werde mich aus deinem Leben stehlen, wenn du vor Glück nur so lachst. Du glaubst nur, dass ich da bin (in deiner Glasvitrine), aber ich spiele Theater, ich stelle dich deiner Welt zur Schau. Das ist, was du Liebe nennst, Drahtpuppengeschäft. Komm, du willst doch, dass sie alle über dich lachen.

II.

Fall mir nicht zu. Ich bin nicht schutzbefohlen. Ich muss dich nicht tragen, nur weil du hinkst und weil ich stehe. Auch unter meinen Füßen bröckelt der Boden. Ich muss dich nicht trösten, nur weil du weinst und nur weil ich Texte schreibe darüber.

Sonntag, 7. April 2013

Kann sein

Vielleicht hat es mich aufgegeben und als in sich verloren gemeldet und nun denkt man, ich sei tot und hat meinen Fall zu den Akten gelegt. Und nur, weil ich ein einziges Mal vergessen habe einzuatmen. Es gibt Gespenster in mir, ich höre sie stetig laut rufen: Das kann der Tod sein, Kind! Kann, kann. Aber es kann ja alles sein. Es kann auch sein, ich verreise oder werde erst noch geboren.

Dienstag, 26. März 2013

Die Trauer des Meeres

 
  Dies ist die Trauer des Meeres -
  Wellen wie Wörter gebrochen -
  ein Einerlei steigender fallender Töne.

  Ich lehne, sehe die Einzelheiten des
  leicht vergänglichen Wellenkamms, zarten
  unvollkommenen Schaum, gelben Tang,
  ein Stück wie das andere:

  Da ist keine Hoffnung-außer eine Korallen-
  insel formte sich langsam
  und wartete, es fielen Vögel ein
  und Samen und machten sie bewohnbar
 
 
~ William Carlos Williams 

Dienstag, 19. März 2013

...aber die Ampel war nicht rot, sie war dunkler! habe ich gesagt und die Tür zugeknallt, wie man das macht, wenn man zu viele Gedichte gelesen hat.

Mittwoch, 6. März 2013

Abschied (R.M.Rilke)

Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt.
Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.

Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wärens alle Frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:

Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weiterwinkendes - , schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.

~ Rainer Maria Rilke

Sonntag, 17. Februar 2013

Vergessliche Poesie

In den Häfen, auf den Park-
wegen, in den unfrisierten Vorstadtgärten:
Rauhe, vergessliche Poesie.

Ich irre, es kommt vor, es wird gedichtlich:
Zwischen zwei Augenschlägen, heiß
gegossene, eiserne Blüten.

Ich reiße nicht daran, ich suche
kein echtes Leben. Echtes zu leben
braucht kein Gesuch:

Im Gedränge umarmt mich
die erlittene Welt,
winkt nach mir mit tausend
überflüssigen Händen.

Ich kann dich noch sehen

Ich kann Dich noch sehn: ein Echo.
ertastbar mit Fühl-
wörtern, am Abschieds-
grat.

Dein Gesicht scheut leise,
wenn es auf einmal
lampenhaft hell wird
in mir, an der Stelle,
wo man am schmerzlichsten Nie sagt.



~ Paul Celan (Ich kann dich noch sehen)

Samstag, 16. Februar 2013

Du sagst das Ende der Liebe voraus


Du sagst das Ende der Liebe voraus
Hör auf Liebe ist ein Wort
wie Geduld oder Verschwendung
Es arbeitet es ist da
damit wir uns darauf einlassen
wie auf ein Ultramarin zwischen Felsblöcken
Es ist eine Farbe ein Weg eine Arbeit
des Zugehens es ist eine Hoffnung
die wir nähren müssen
Erst wenn die Liebe keinen Wein
mehr erhält
können wir das Wort streichen

Nimm ein Wort wie Schneebruch So
stürzen die Worte unter dem Nirgends
nieder wenn wir sie nicht nutzen
sie wandern von Lippe zu Lippe
sie stürzen in die schwarze Erde
wenn dem Ast das Wort nicht
ins Nadeln fällt
Nicht jeder hat die Gabe
der Worte Aber wenn wir Liebe haben
und in uns arbeiten dann stehen wir
fest zwischen den Millionen von Bäumen
Ferne wird eine Kategorie der Nähe

und wir können leben.

~ Joachim Sartorius, Liebe und Arbeit. Aus: In den ägyptischen Filmen

Dienstag, 22. Januar 2013

Trennung



Laß auch die süße Erinnerung an dich vergehen, sterben,
verschwinden.
Denn jetzt, wo du dich im Traum angesiedelt hast
und dort wohnst,
ist eine Begegnung dort unnötig, schmerzhaft, Trennung.
” 

~ Paavo Haavikko










Dienstag, 8. Januar 2013

Eine Spur Übertreibung

Außen ist vieles anders geworden. Ich weiß nicht wie. Aber innen und vor Dir, mein Gott, innen vor Dir, Zuschauer: sind wir nicht ohne Handlung? Wir entdecken wohl, daß wir die Rolle nicht wissen, wir suchen einen Spiegel, wir möchten abschminken und das Falsche abnehmen und wirklich sein. Aber irgendwo haftet uns noch ein Stück Verkleidung an, das wir vergessen. Eine Spur Übertreibung bleibt in unseren Augenbrauen, wir merken nicht, daß unsere Mundwinkel verbogen sind. Und so gehen wir herum, ein Gespött und eine Hälfte: weder Seiende, noch Schauspieler. 


~ Rainer Maria Rilke
Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge

[Und wenn du dich getröstet hast]

Und wenn du dich getröstet hast,
wirst du froh sein, mich gekannt zu haben.
Du wirst immer mein Freund sein.
Du wirst dich daran erinnern,
wie gerne du mit mir gelacht hast.



 Ich werde die wiedersehen, die ich auf Erden geliebt habe,
und jene erwarten, die mich lieben.


Ich bin von euch gegangen, nur für einen Augenblick,
und gar nicht weit.
Wenn ihr dahin kommt, wohin ich gegangen bin,
werdet ihr euch fragen, warum ihr geweint habt
.

~ Antoine de Saint-Exupéry

Samstag, 5. Januar 2013

[Trage mich]

Trage mich
in den
Sternenkranz

Gib mir
ein Schiff
aus weißen
Wolken
am Tiefmeer
meiner
Einsamkeit

Ich werde
hundert Jahre
sterben

Ich bin
bereit


~ Rose Ausländer